Vom Ritual zum Modetrend: Bindis

Aus dem Gesicht der Inderinnen sind sie nicht wegzudenken, die Bindis (auch Sindur, Tikka, Pottu, Tilak...).

Mittlerweile werden sie auch in unserem Breitengraden modern und in schicken Boutiquen zu teilweise horrenden Preisen verkauft.

bindi

Ich selbst habe mir während meiner ersten Indien-Reise (1995) eine Sammlung zusammengekauft, die ich auch gerne trage, vor allem wenn ich ausgehe. Ich wurde dann zu meiner Überraschung auch einmal gefragt, zu welcher Goa-Familie ich gehöre. Naja, damals wusste ich noch nichts von Goa-Techno - und bin auch heute noch nicht sehr begeistert davon...

Unter orientalischen Tänzerinnen wurde es in letzter Zeit auch immer beliebter, mit einem glitzernden Bindi aufzutreten.

Aber woher stammt denn nun dieser besondere Schmuck und was bedeutet er?

Ursprung

Schon es Menschen gibt, schmücken sie ihre Körper und Gesichter mit Farbe. So auch in Indien.

Eine einzig gültige Erklärung für die Bedeutung gibt es eigentlich nicht. "Bindi" leitet sich vom Sanskritwort bindu ab (Tropfen, Punkt) und ist ein glücksverheissendes Symbol.

Je nach Gegend bemalen Männer wie Frauen ihre Stirnen. Gerade bei Männern lässt sich aus dem Muster schliessen, welcher Richtung des Hinduismus der Träger anhängt. So stehen z.B. 3 weisse Querstreifen für Shivaiten. Das auftupfen von Kumkum-Pulver ist auch Teil von religiösen Ritualen. Hierbei wird nicht auf die Ästhetik geachtet, sondern dieser Farbfleck wird auf dem Chakra des 3. Auges platziert, um die Aufmerksamkeit auf die göttliche Kraft und spirituelle Erleuchtung zu lenken.

Als Abschluss des morgendlichen Gebets-Rituals z.B. tupft sich eine Frau nach alter Sitte erst etwas Sandelholzpaste auf die Stirn, danach Zinnoberrot und schliesslich einige Reiskörner darauf.

Kshatriya-Königinnen tupften ihren Ehemännern ein Tilak auf, das ihnen auf dem Schlachtfeld Glück bringen sollte oder um ihn wieder daheim zu begrüssen. Auch in der heutigen Zeit ist diese Brauch noch intakt, um Gäste willkommen zu heissen.

Das Bindi der Frauen hat sich aus dem Hochzeitsritual der Hindus entwickelt. Als eines der Symbole für die verheiratete Frau wurde es mit rotem Kumkum-Pulver aufgetragen, in Verbindung mit rotem Pulver auf dem geröteten Scheitel. Heute noch ist das Make-up einer Braut unvollständig ohne Bindi. Die rote Farbe soll ihrem neuen Heim Wohlstand verheissen, der Punkt macht sie zur Hüterin des häuslichen Wohlergehens. Und natürlich signalisiert er auch der Umwelt, dass diese Frau nicht mehr zu haben ist... In Nordindien bezeichnet das Bindi noch immer meist eine verheiratete Frau, im Süden hingegen tragen es eigentlich alle, selbst kleine Kinder. Teilweise wird unterschieden in schwarze Bindis für unverheiratete Frauen und rote Bindis für Verheiratete.

Auch zum Indischen Tanz gehört das Bindi natürlich dazu - ohne bestreiten wir nicht mal eine Übungsstunde. Traditionellerweise ist es das rote, runde, denn die früheren Tänzerinnen durften zwar keine Ehemänner haben, waren aber quasi mit einem Gott verheiratet.

Entwicklung

Um ein kreisrundes Bindi zu erreichen, wurde früher eine kleine Scheibe oder eine Münze mit Loch verwendet. In die Öffnung wurde zuerst eine klebrige Wachspaste oder Vaseline aufgetragen. Diese wurde dann mit Kumkum bedeckt, die Schablone entfernt und schon hatte man ein perfekt rundes Bindi.

Kumkum-Pulver wird aus den Blättern einer indischen Blume hergestellt und im Laufe der Zeit wurde es auch zu einer Flüssigkeit verarbeitet. Bald waren verschiedene Farben erhältlich und Frauen begannen, ihr Bindi mit der Farbe des Saris abzustimmen.

KumKum - Glitz - Hand

Im 18. Jahrhundert konnten sich königliche Inderinnnen glamourösere Bindis leisten, die aus Gold, Diamanten, Perlen und anderen wertvollen Materialien hergestellt wurden. Mit den ausgefalleneren Modellen wandelte sich die Bedeutung des religiösen Zeichens hin zum eleganten, verführerischen Gesichtspunkt.

Das Bindi der Verheirateten ist meist ein roter Punkt, konservative Frauen benutzen noch immer Kumkum dafür. Aber die selbstklebenden "Fancy Bindis" sind immer beliebter und werden jeweils passend zur Kleidung gewechselt. Heute werden Bindis in allen Grössen aus den verschiedensten Materialien hergestellt. Es gibt einfache auf Filzbasis, die dann mit kleinen Perlen, Folien, Spiegelchen, Muscheln verziert werden, oder aufwändige mit glitzernden Steinen.

Das glänzende Bindi auf Stirn soll den Geliebten verzaubern... Sogar Gedichte sind über die schönen Bindis einer holden Maid immer wieder geschrieben worden.

Moderne Bindis können auch aus holografischen, glitzernden oder duftenden Materialien sein oder solchen, die im Dunkeln leuchten. Die Formen erstrecken sich von rund über tropfenförmig bis zu Blumen, Tieren usw. Sogar Bindis in Dinosaurierform gibt es!

Rot - Shell - Dinobindi- Holobindis

Sie werden auch nicht immer nur auf der Stirn angebracht. Gerade im Westen landen sie überall und werden dann auch "Bodydots" genannt. Es gibt z.B. auch ganze Kollektionen an Bauchnabel-Bindis.

So hat sich also eine uralte Form der Körperbemalung weiterentwickelt. Und wenn hier im Westen nun gross von einem "neuen Trend" gesprochen wird, nur weil einige Popsängerinnen sich auf MTV mit einem Bindi zeigen (siehe auch Henna-Mehndis...), ist es doch immer ein fester Bestandteil der indischen Kultur gewesen, der seit Jahrhunderten besteht und nicht mehr daraus wegzudenken wäre.

Bezugsquellen

Wie schon erwähnt, stehen die Preise für Bindis in den trendigen Läden oft in keinem Verhältnis zum Verkaufspreis in Indien. Besser fährt man in indischen / tamilischen Geschäften. Einige Adressen gibt es hier.

 

Quellen:

Bindi-Fotos mit freundlicher Genehmigung von Raun Harman Exports

Besonderen Dank an Bobby Mohanty

Weitere Links:

 

Bücher zum Thema:

Bindis - Beth Margetts

Bindis: Körperschmuck zum Aufkleben - Claudia Wengler + Guido Kanter