(Dieser Artikel erschien zuerst im Bastet Magazin)
Das grösste orientalische Tanzfestival der Welt
findet jährlich - wie nicht anders zu erwarten - in den USA
statt. 2005 feierte Rakkasah bereits sein 25jähriges Jubiläum.
Grund genug für einen Besuch in Richmond (bei San Francisco).
Wie wir das auch von europäischen Festivals kennen, besteht Rakkasah aus
den Elementen Workshops - Messe - Rahmenprogramm.
Rakkasah bietet ein sogenanntes Weeklong Program. Das heisst, dass während der ganzen Woche Workshops mit lokalen aber auch internationalen DozentInnen stattfinden. Da werden schon fast legendäre Altmeister angeboten wie Bert Balladine und Jamilla Salimpour, sowie so verschiedene Lehrerinnen wie Leila Haddad, Carolena Nericcio, Suhaila Salimpour, Momo Kadous und viele mehr.
Dieses Programm zieht vor allem viele internationale BesucherInnen an, so zum Beispiel eine ziemlich starke Delegation aus Japan, aber auch andern Ländern von Australien bis Deutschland. Die kalifornische Tanzszene selbst hingegen konzentriert sich mehr auf den Besuch der Messe am Wochenende.
Eigentlich hatte ich ein überwältigenderes Einkaufs-Angebot erwartet. Es gab zwar im ganzen 112 Aussteller, dazu gehörten aber auch Workshoplehrerinnen und Musiker, die sich teilweise einen Stand teilten. Verteilt waren die Stände auf 6 Räume, darunter das grosse Auditorium.
Wer schon an ein paar Messen in Deutschland war, für den war nicht allzu viel Neues zu sehen - ausser dass eindeutig mehr im Tribal-Bereich geboten wurde.
Die Halle war nicht so brechend voll wie ich es an andern Messen schon erlebt hatte - Rakkasah spürt den wachsenden Konkurrenzdruck anderer Veranstaltungen in der Region. Andererseits wurde es dadurch angenehmer, zwischen den Ständen zu flanieren, und es wurde kaum hektisch an den Ständen.
Kostüme sind teurer als in Europa, kommen aber eigentlich von den selben Herstellern in Ägypten/Türkei, deshalb konzentrierte ich mich auf den Kauf von DVDs, Musik und Accessoires von amerikanischen Herstellern.
Aber man braucht nicht mal zum Shoppen oder wegen der Workshops zu Rakkasah zu gehen. Es lohnt sich nur schon wegen dem enormen Angebot an Tanzauftritten, die zu sehen sind.
Von Freitag Abend bis Sonntag Abend läuft fast
permanent ein Tanzprogramm durch - und zwar in zwei Räumen.
Die grosse Bühne befindet sich im Auditorium, wo auch viele
Messestände stehen, die kleine "Cabaret Stage" in
einem Nebenraum, der Platz für ca. 100 Zuschauer bietet. Beide
Bühnen haben einige Sitzreihen, so dass man nicht im Stehen
zuschauen muss, und im Auditorium gibt es ausserdem eine Galerie,
von der aus man eine sehr gute Sicht auf die Bühne hat. Getanzt
wird einerseits zu Musik von CDs, andererseits aber auch zu verschiedenen
Live-Bands.
Dieses Rahmenprogramm ist eindeutig einer der Anziehungspunkte des Festivals,
bietet es doch die Gelegenheit, eine grosse Anzahl an bekannten Stars an einem
Ort zu finden.
Namen aufzuzählen ist fast unmöglich, es waren einfach zu viele! Allein am Samstag waren auf der Hauptbühne zwischen 11:00 morgens und 23:00 abends ganze 61 Tanznummern zu sehen. Da ist es natürlich unmöglich, die ganzen zwölf Stunden lang zuzusehen - nur schon die Hälfte davon mitzubekommen, kann harte Arbeit sein. Denn neben den sehr guten TänzerInnen produzieren sich auch mittelmässige bis wirklich schlechte - und das liegt am Anmeldeverfahren.
Es gibt 3 Möglichkeiten, sich einen Platz auf der Bühne zu sichern: Zuerst sind da natürlich die Workshopdozentinnen, dann die TeilnehmerInnen des Weeklong Workshops - und schliesslich die grosse Masse, die sich der Prozedur des Call Ins unterzogen hat. Das heisst, wer auf einer der beiden Telefonnummern für die Anmeldung durchkommt, hat einen Auftritts-Platz. Manche Leute sind dafür mehrere Stunden lang am Telefon!
Ich habe mir sehr viele der Tanznummern angesehen, auch um ein wenig mitzubekommen, was in der amerikanischen Orienttanz-Szene so läuft. Was mir vor allem aufgefallen ist: Ich habe noch nie so viel Fusion gesehen. Und auch hier gab es alle Schattierungen von fantastisch über mittelmässig bis ""was soll das?"
Fat Chance Belly Dance
Desert Sin
Cabaret Stage
Solotänzerinnen hatten 7 Minuten zur Verfügung, Gruppen 15 Minuten. Wobei mich letzteres eher lang dünkte - vor allem weil diese Limite oft voll ausgereizt wurde. Bei den eher klassisch/folkloristisch orientierten Gruppen war schnell ein Standart-Ablauf zu sehen: Schleier, Stock und Trommelsolo kamen fast immer vor. Und das gerne mit 10 oder mehr Tänzerinnen auf der Bühne!
MEISSOUN mit Band
Es war immer sehr gut zu sehen, ob auf der Bühne ein Star erwartet wurde
- je nachdem sicherten sich mehr oder weniger Leute einen Sitzplatz. Am vollsten
war es dann am Sonntag Nachmittag, als Suheila Salimpours Truppe tanzte - alles
strömte zur Bühne und die Messe kam fast zum Stillstand.
Es gab aber auch undankbare Zeiten, um aufzutreten, z.B. jeweils die ersten Nummern
des Tages. Da tanzten einige vor halbleeren Sitzreihen.
Allgemein sagten mir langjährige Festivalbesucherinnen, dass das durchschnittliche
Niveau der Darbietungen dieses Jahr höher war als auch schon - und ich habe
wirklich etliche Tänze gesehen, die mich sehr beeindruckt haben.
Für die ganz unermüdlichen gab es am Samstag Abend noch eine After-Party im Messe-Hotel, bei der man zur Musik einer orientalischen Band nochmal so richtig miteinander tanzen konnte.
MEISSOUN macht Party mit Princess Farhana
Am nächsten Tag wurde aber wieder knallhart aufgestanden, um möglichst früh wieder im Auditorium zu sein. Am Sonntag Abend war ich total erschöpft...
Infos zur Messe sowie Fotos der Auftritte: www.rakkasah.com
Während den 2,5 Wochen vor Rakkasah reiste
ich durch Kalifornien und unterrichtete an 4 Orten Workshops. Dies
bot eine gute Gelegenheit, viele kalifornische Tänzerinnen
zu treffen und mich mit ihnen über die dortige Tanzszene zu
unterhalten. Wobei es eigentlich nicht eine einheitliche Szene
gibt - Los Angeles und San Francisco sind etwa so weit entfernt
von einander wie Zürich und Paris, und genauso verschieden
ist auch die Mentalität. San Francisco ist "Tribal Country";
und eine Hochburg von Fusion Tänzerinnen.
In Los Angeles tanzt man viel mehr "traditionell",
und der Trend geht eher in Richtung des ägyptischen Stils.
Tänzerinnen in Restaurant verdienen einiges weniger als bei uns. Vor allem
in San Francisco zahlen Restaurants oft nur gerade $ 20 bis 40 pro Abend - ein
Produkt des grossen Angebotes an Tänzerinnen, die sich zum Teil mit dem
Preis unterbieten.
In anderen Städten hingegen werden auch schon mal US$ 50 und mehr bezahlt.
Ein Details aus den Workshops: Es wird alles etwas lockerer genommen. Keiner
der Kurse startete pünktlich, weil die Schülerinnen halt einfach mal
eintrudelten.
Allgemein bin ich von den Tänzerinnen sehr offen aufgenommen worden, und
entgegen dem Klischee der amerikanischen Oberflächlichkeit waren alle echt
hilfsbereit und herzlich.